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Beitrag vom 16.09.2011
Francine Blau im DIW in Berlin: The US Gender Pay Gap: Going, Going... But Not Gone
Britta Meyer
Im Jahre 1906 erhielt Alice Salomon an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin als eine der ersten Frauen überhaupt ihre Promotion. Das Thema, das sie für ihre Doktorarbeit gewählt hatte, ...
... war damals ebenso aktuell wie heute: eine Untersuchung zu den "Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit".
Mitte September 2011, also über 100 Jahre später, sprach die US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Francine Blau in ihrem Vortrag "The US Gender Pay Gap: Going, Going... But Not Gone" im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin über die heutigen Unterschiede in den Verdiensten von Frauen und Männern und stellte dabei die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den USA und Deutschland heraus. So stieg in den USA der Anteil des durchschnittlichen Frauenverdienstes am durchschnittlichen Männerverdienst seit dem Beginn der 1980er Jahre von etwa 60 Prozent auf ungefähr 80 Prozent an. Zum Vergleich: In Deutschland verdienen Frauen etwa 77 Prozent des durchschnittlichen Männererwerbs, das sind neun Prozent weniger als im EU-Gesamtverhältnis. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es, so Blau, in den USA eine Art "stiller Revolution" in den Geschlechterrollen gegeben, die vor allem durch die immer stärker zunehmende Beteiligung von Frauen an Erwerbsarbeit vorangetrieben wurde. Während in den USA 1940 noch nur 28 Prozent der Frauen gegen Bezahlung arbeiteten, waren es 2007 bereits 59 Prozent.
Mögliche Erklärungen für den fortbestehenden Gender Pay Gap
Als mögliche Ursachen für den immer noch bestehenden Verdienstunterschied nannte Blau geschlechtsspezifische Differenzen in der Ausbildung und der Arbeitserfahrung sowie direkte und indirekte Diskriminierung von Seiten der ArbeitgeberInnen. In punkto Ausbildung und Arbeitserfahrung jedoch haben US-amerikanische Frauen seit den 1980er Jahren enorm aufgeholt: 57 Prozent der erlangten Bachelor-Abschlüsse werden von Frauen erworben, der durchschnittliche Vorsprung in praktischer Arbeitserfahrung, den Männer Frauen voraus hatten, reduzierte sich zwischen 1979 und 1998 von 6,6 auf nur noch 3,5 Jahre. Zusätzlich bewegten sich Frauen auf dem Arbeitsmarkt weg von traditionell "weiblichen" Jobs im Kirchenumfeld und im Dienstleistungssektor, hin zu Anstellungen im Management. Auch der Trend von so genannten "blue collar jobs" (Arbeit in handwerksorientierten Jobs) hin zu "white collar jobs" (Büro-, Verwaltungs- und Managementjobs) trug dazu bei, dass Frauen sich auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich etablieren konnten.
Diskriminierung bleibt als Ursache bestehen
Trotz all dieser Errungenschaften verdienen auch in den USA Frauen also immer noch weniger als Männer. Konkrete Geschlechterdiskriminierung als hierbei maßgeblicher Faktor kann also auch in der Ursachenforschung nicht ignoriert werden. Blau zitierte dazu unter anderem eine Studie der Forscherinnen Claudia Goldin und Cecilia Rouse aus dem Jahr 2000, bei der OrchestermusikantInnen vor einer Jury musizierten. Waren die KandidatInnen hinter einem Sichtschirm den Blicken der ZuhörerInnen verborgen, war die Wahrscheinlichkeit eines positiven Votums der Jury für Frauen und Männer genau gleich. War die Geschlechtszugehörigkeit der Vortragenden jedoch sichtbar, hatten Männer eine deutlich höhere Chance, engagiert zu werden, als Frauen.
Auch im "klassischen" Frauenberufsfeld des Dienstleistungssektors scheint eine weibliche Geschlechtszugehörigkeit zu behindern – zumindest, wenn es darum geht, die besser bezahlten Jobs mit dem höherem Prestige zu bekommen. Wie David Neumark in einer Studie von 2000 belegte, haben Frauen, die sich um eine Anstellung als Kellnerin in Restaurants bewerben, bei gleicher Qualifikation eine messbar niedrigere Chance, eingestellt zu werden als Männer - und zwar stehen ihre Aussichten umso schlechter, je höher die Preisklasse des Restaurants liegt.
Anders als in Deutschland befinden sich die erwerbstätigen Frauen der USA meist in Vollzeitbeschäftigungen, nur 18 Prozent von ihnen arbeiten Teilzeit. In Deutschland sind die Teilzeitjobs deutlicher anders verteilt: 38 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen arbeiten in Teilzeit. Besser bezahlte, verantwortungsvolle Positionen werden jedoch eher nicht als "halbe" Stellen angeboten.
Zur erfolgreichen Reduktion des Gender Pay Gaps empfahl Blau darum vor allem, falsche Anreize zu vermeiden, die Frauen in eine so genannte "mommy track" locken: statt – wie in Deutschland – durch mangelnde Angebote an Kinderbetreuung, die Förderung von Minijobs und Steuerregelungen wie dem Ehegattensplitting gering bezahlte Teilzeitjobs und EinverdienerInnenehen zu fördern, sollte lieber der Bestand an Kindertagesstätten besser ausgebaut werden, um Frauen wie Männern einen gleichberechtigten Zugang zur Arbeitswelt zu ermöglichen.
Weitere Informationen finden Sie unter:
Francine Blau an der Cornell University ILR School
Claudia Goldin, Cecilia Rouse: "Orchestrating Impartiality: The Impact of "Blind" Auditions on Female Musicians" (2000)
David Neumark: "Sex Discrimination in Restaurant Hiring: An Audit Study" (2000)
Alice Salomon: "Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit" (1906)
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